Der Tag gegen Lärm 2019 fand am 24. April 2019 statt.
Lärm ist eines der grössten Umweltprobleme unserer mobilen Gesellschaft. Laut einem jüngsten Bericht des Bundesamtes für Umwelt (BAFU) sind in der Schweiz rund eine Million Menschen und damit jede siebte Person von Lärm über dem gesetzlichen Grenzwert betroffen. Der Strassenverkehr verursacht mit Abstand die grösste Belastung. Gemäss BAFU betrifft ein Grossteil der Bürgerbeschwerden wegen Strassenlärm überlaute Motorräder, obwohl diese nur einen sehr kleinen Teil der Fahrzeugflotte ausmachen.
Töff Rowdies
Anwohnerinnen und Anwohner sowie Erholungssuchende entlang beliebter Motorradstrecken kennen das Problem: Bei schönem Töff-Wetter leiden sie unter einer lärmigen Geräuschkulisse. Gerade in engen Bergtälern werden so durch ein paar wenige rücksichtslose Motorradfahrinnen und -fahrer viele Ruhesuchende sowie die lokale Bevölkerung beschallt. Besucherinnen und Besuchern des Schweizerischen Nationalparks beispielsweise weisen bei Befragungen und Reklamationen immer wieder auf die Belästigung und Ruhestörung durch den Verkehrslärm – insbesondere von Motorrädern – auf der Passstrasse hin.
Wie laut ein Fahrzeug ist, kommt sehr auf den Menschen an, der im Sattel bzw. hinter dem Lenker sitzt. «Beschleunigungsorgien» in kleinen Gängen sowie ein hochtouriger und immer an der Geschwindigkeitslimite orientierter Fahrstil – das ist in der Regel sehr laut. So überschreitet der Töfflärm häufig den massgebenden Grenzwert und ist sogar lauter als der Lärm der meisten Lastwagen. Insbesondere in der Nacht, wenn das Ruhebedürfnis der Menschen am grössten ist, weckt eine Einzelperson mit ihrem Vergnügen nach einem lauten Auftritt, zahlreiche Anwohnende. Neben dem Fahrstil sind Vorrichtungen am Fahrzeug, die hauptsächlich darauf abzielen das Fahrzeug lauter zu machen (beispielsweise Klappenauspuffe), ein grosses Problem. Werden die steuerbaren Auspuffklappen geöffnet, röhrt der Motor ungedämmt.
Eine Million Menschen sind noch immer übermässigem Verkehrslärm ausgesetzt (Medienmitteilungen – BAFU)
Auto-Poser und Car-Spotter
In städtischen Zentren ist das sogenannte «Auto-Posen» beliebt. Dabei drehen Fahrer von Luxus-Sportwagen und anderen PS-starken Boliden immer die gleichen Runden. Oft lassen die Fahrer den Motor aufheulen und rasen ein kurzes Stück – nicht selten angestachelt von jungen Car-Spottern, die sich freuen, wenn sie ein solches Fahrzeug vor die Linse bekommen. Solches «Corso-Fahren» verursacht viel unnötigen Lärm und belästigt die betroffene Bevölkerung. Nicht nur Städte sind davon betroffen, es gibt auch immer mehr solcher «Protzer-Strecken» im ländlichen Gebiet. Passstrassen sind da bei den Fahrzeuglenkenden besonders beliebt.
Gesetzliche Grundlagen
Wie laut ein Töff oder Auto sein darf, ist eigentlich gesetzlich geregelt. Seit 2016 gelten für Motorräder neue EU-Vorschriften zu Abgas- und Geräuschemissionen, die der Bundesrat zeitgleich auch in der Schweiz in Kraft gesetzt hat. Für neue Motorräder wurde der Grenzwert von 80 auf 78 Dezibel gesenkt. Auch das Prüfverfahren wurde geändert: Statt die Teststrecke mit Vollgas zu befahren, wird zu Messzwecken für jedes Fahrzeug individuell eine Sollbeschleunigung errechnet. Diese ist unter anderem vom Gewicht und von der Leistung des jeweiligen Motorrades abhängig. Das Problem dabei ist aber, dass dieser Prüfzyklus nicht geeignet ist, die maximale Lärmentwicklung eines Motorrads beim Einsatz auf der Strasse abzubilden. Und deshalb sind die meisten Töffs – werden sie im «Rowdy-Modus» gefahren – erheblich lauter als der erlaubte Grenzwert. Seit 2016 sind auch für Autos Auspuffklappensysteme verboten, die einzig und allein der Erhöhung der Schallemission dienen. Diese Systeme werden von den Herstellern oft als «Sportmodus» deklariert, bei dessen Aktivierung Klappen im Auspuffsystem öffnen und den Motorenlärm ungedämpft freigeben, um das Fahrzeug beim Gasgeben deutlich hörbarer zu machen. Diese neuen Regelungen gelten jedoch – analog zu den neuen Emissionsgrenzwerten – nur für neue Fahrzeugtypen (Autos und Motorräder), nicht aber für solche, die vor Inkrafttreten der neuen Vorschriften zugelassen worden sind. Auspuffklappen sind also für alle fabrikneuen Töffs und Autos weiterhin legal, die vor 2017 eine Typengenehmigung erhielten oder zugelassen wurden.
Ausgewählte Gesetzesartikel
- Das Strassenverkehrsgesetz (SVG) (Art. 42) verlangt, dass „der Fahrzeugführer jede vermeidbare Belästigung von Strassenbenützern und Anwohnern, namentlich durch Lärm, Staub, Rauch und Geruch, zu unterlassen und das Erschrecken von Tieren möglichst zu vermeiden hat“.
- Artikel 33 der Verkehrsregelnverordnung (VRV) definiert, dass Fahrzeugführer, Mitfahrende und Hilfspersonen, namentlich in Wohn- und Erholungsgebieten und nachts, keinen vermeidbaren Lärm erzeugen dürfen. Dazu gehören unter anderem hohe Drehzahlen des Motors im Leerlauf, zu schnelles Beschleunigen, das Fahren in niederen Gängen oder fortgesetztes unnötiges Herumfahren in Ortschaften.
- Die Verordnung über die technischen Anforderungen an Strassenfahrzeuge (VTS) reglementiert den Ausrüstungslärm. Die Vorschriften erfordern insbesondere den Gebrauch von Schalldämpfern, um den Auspufflärm zu begrenzen (Art. 53). Die Manipulation der Auspuffklappe ist auch geregelt: «Unnötige lärmsteigernde Eingriffe am Fahrzeug und an dessen genehmigten Bauteilen sind untersagt, selbst wenn die zulässige Geräuschgrenze eingehalten bleibt».
Gesundheitliche Auswirkungen von Lärm
Lärm stört, stresst und macht krank. Übermässige Lärmbelästigung kann anhaltenden seelischen und körperlichen Stress auslösen. Der menschliche Körper reagiert auf störende Geräusche mit der Ausschüttung von Stresshormonen. Blutdruck, Herzfrequenz und weitere Kreislauffaktoren verändern sich negativ. Auch Diabetes und Depressionen können die Folgen von übermässigem Lärm sein. Nächtliche Lärmstörungen sind besonders problematisch. Das Ein- und Durchschlafen werden gestört und die Tiefschlafphasen verkürzt. Wird man regelmässig im Schlaf von aufheulenden Motoren geweckt, leidet die Gesundheit wie auch die kognitive Leistungsfähigkeit.
Rücksichtnahme nützt allen
Durch eine umweltschonende und rücksichtsvolle Fahrweise mit tiefen Drehzahlen kann viel unnötiger Motorenlärm verhindert werden. Gerade an lärmsensiblen Orten zu lärmsensiblen Zeiten ist Rücksicht angesagt. Eine angepasste Fahrweise nützt allen: Erholungssuchenden, Anwohnenden und auch den Motorsportbegeisterten selbst, denn so können Strassensperrungen und Geschwindigkeitsreduktionen vermieden werden. Halten sich alle an das Motto „Laut ist out“ steht dem Fahrspass nichts mehr im Wege.