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2018 – Lärm stinkt

2018 – Lärm stinkt

Der Tag gegen Lärm 2018 fand am 25. April 2018 statt.

Calling noise a nuisance is like calling smog an inconvenience. Noise must be considered a hazard to the health of people everywhere.“

William H. Stewart (U.S. Surgeon General vom 1. Oktober 1965 – 1. August 1969)

Lärm ist nicht nur lästig, sondern eine Gefahr für die Gesundheit. Den meisten Leuten ist bewusst, dass Luftverschmutzung krank machen kann; ungemein weniger bekannt ist aber, dass auch Lärm unsere Gesundheit nachhaltig schädigen kann!

Unter dem Motto «Lärm stinkt!» soll am Tag gegen Lärm 2018 auf die gesundheitsschädigenden Folgen von Lärm aufmerksam gemacht werden.

Medienmitteilung

Es ist allgemein bekannt, dass Luftverschmutzung unsere Gesundheit beeinträchtigen kann. Weniger bewusst ist uns aber, dass auch Lärm krank machen kann. Am 25. April 2018 findet der internationale «Tag gegen Lärm» statt. Unter dem diesjährigen Motto «Lärm stinkt» ist die Schweiz bereits zum 14. Mal an diesem Aktionstag dabei.

«Eines Tages wird der Mensch den Lärm ebenso bekämpfen müssen wie die Cholera und die Pest»; Robert Koch, Entdecker der Tuberkulose, hat bereits anfangs des 19. Jahrhunderts geahnt, dass die Lärmbelastung zu einer eigentlichen «Volkskrankheit» werden wird. Als unmittelbare Folge der zunehmenden Mobilität seit den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts fühlen sich heute etwa zwei Drittel der Schweizer Bevölkerung durch Lärm gestört. Lärm ist die am häufigsten wahrgenommene Umweltbelastung.

Lärm stresst

Lärm ist ein Stressfaktor. Unser Gehör ist als hochsensibles Organ an die Geräuschkulisse einer längst vergangenen Naturlandschaft angepasst. Laute und ungewohnte Geräusche waren ursprünglich ein Signal für Gefahr, auf die der menschliche Körper mit einer erhöhten Alarmbereitschaft zu Flucht oder Kampf reagierte. Die Geräuschkulisse hat sich zwischenzeitlich dramatisch verändert: Eine Unmenge von verschiedensten Geräuschen überflutet uns ständig. Auf laute und störende Geräusche reagiert unser Körper aber immer noch gleich wie zu Urzeiten und die ausgelösten Stressreaktionen beeinträchtigen das Wohlbefinden und die Gesundheit.

Der menschliche Körper reagiert auf störende Geräusche mit der Ausschüttung von Stresshormonen. Das autonome Nervensystem und das hormonelle System werden dadurch beeinflusst. Blutdruck, Herzfrequenz und weitere Kreislauffaktoren verändern sich negativ. Auch die kognitiven Leistungen werden durch Lärm beeinträchtigt.

Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Die vom Schweizerischen Nationalfonds finanzierte SiRENE-Studie über kurz- und langfristige Effekte des Verkehrslärms auf die Gesundheit konnte aufzeigen, dass das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen beim Strassenlärm am stärksten ausgeprägt ist. In der Schweiz ist tagsüber jede fünfte Person schädlichem oder lästigem Strassenverkehrslärm ausgesetzt, in der Nacht jede sechste. Bei einer Zunahme der Strassenlärmbelastung um 10 dB am Wohnort steigt das Herzinfarktrisiko um 4 Prozent. Auch das Risiko anderer Krankheiten wie Bluthochdruck und Herzinsuffizienz steigen mit zunehmendem Verkehrslärm. Durch die vermehrte Ausschüttung von Stresshormonen wird die Blutgerinnung beeinflusst. Gemäss Martin Röösli, Leiter der SiRENE-Studie, sind in der Schweiz sind rund 500 der jährlich etwa 20’000 Todesfälle aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen auf die Wirkung von Lärm zurückzuführen.

Erhöhtes Diabetesrisiko

Übermässiger Verkehrslärm erhöht ebenfalls das Risiko, an Diabetes zu erkranken. Die chronische Ausschüttung von Stresshormonen beeinflusst den Insulinstoffwechsel negativ. Gemäss einer WHO Schätzung verliert die Schweizer Bevölkerung jedes Jahr rund 46’000 Lebensjahre, die ohne Verkehrslärm bei einwandfreier Gesundheit hätten gelebt werden können. Zudem verursacht der Verkehrslärm jährlich zirka 800 Millionen Franken Gesundheitskosten. Das ist rund die Hälfte der Gesundheitskosten, die durch Luftverschmutzung verursacht werden.

Nachtlärm schadet besonders

Der Mensch regiert nicht nur tagsüber, sondern auch im Schlaf auf Umgebungslärm. Nächtliche Lärmstörungen sind besonders problematisch für die Gesundheit. Es gibt zwar Menschen, die ruhig neben einer vielbefahrenen Strasse schlafen können. „Man gewöhnt sich dran“, meinen sie. Das stimmt jedoch nur vordergründig. Subjektive Lärmbelästigung und Lärmempfindlichkeit haben keinen Einfluss darauf, wie stark sich Lärm auf die physisch-somatische Gesundheit auswirkt. Eine Gewöhnung an Lärm gibt es nicht. Denn unsere Ohren hören alles – auch nachts.

Verkehrslärm an der Quelle verhindern

Um die Bevölkerung vor Lärm zu schützen, wurden seit Inkrafttreten der Lärmschutzverordnung im Jahr 1987 von Bund und Kantonen rund 6 Milliarden Franken für Schutzmassnahmen ausgegeben. Seit 2008 wurden zirka 2000 Kilometer lärmmindernde Strassenbeläge und gut 600 Kilometer Lärmschutzwände und -dämme erstellt, ausserdem wurden über 100’000 Schallschutzfenster installiert. Insgesamt konnten so gemäss Bundesamt für Umwelt BAFU bereits rund 160’000 Menschen vor übermässigem Strassenlärm geschützt werden.

Auch die Temporeduktion hilft gegen Strassenverkehrslärm. Dies ist eine einfache und kostengünstige Massnahme, die sofort zu einer spürbaren Verbesserung der Lärmsituation im betroffenen Gebiet führt. Wird die Geschwindigkeit von 50 auf 30 Kilometer pro Stunde gesenkt, kann die Lärmemission um 2 bis 3 dB reduziert werden. Dies entspricht etwa einer Halbierung der Verkehrsmenge. Hauptproblem für die Umsetzung dieser günstigen und einfachen Massnahme ist die politische Akzeptanz.
Mit lärmarmen Strassenbelägen ist eine Lärmminderung bis ca. 5 dB möglich (Mittelwert). Das hat den Effekt, also ob nur noch ein Viertel des Verkehrs unterwegs wäre. Die lärmmindernde Wirkung nimmt aber über die Jahre etwas ab. Eine weitere Massnahme an der Quelle sind lärmarme Reifen. Denn ab einer konstanten Fahrgeschwindigkeit von ca. 25 km/h ist das Reifengeräusch bei modernen PKW bereits die dominante Lärmquelle des Fahrzeugs. Eine Reifenetikette weist die Lärmemission der einzelnen Reifen seit 2014 aus. Hier kann man die optimalen Reifen für die eigenen Bedürfnisse finden.

Irrtümer betreffend Strassenverkehr

Moderne Autos lösen das Lärmproblem

Moderne Autos wurden in erster Linie im Innenraum leiser, wo der Autofahrer mittels High-Tech-Materialien vom Aussenlärm abgeschottet wird. Kaum Fortschritte wurden in den letzten Jahren bei den äusseren Lärmemissionen (Antriebs-, Roll- und Windgeräusche) erzielt. Der derzeitige Trend hin zu schwereren Fahrzeugen mit breiterer Bereifung sorgt generell für eine Zunahme der Emissionen.

Elektromobilität löst das Lärmproblem

Elektroautos können nicht pauschal als leise bezeichnet werden. Ihre Vorteile für den Lärmschutz liegen im Bereich des Anfahrens und bei konstanter Fahrweise bis ca. 20 km/h. In höheren Geschwindigkeitsbereichen dominiert das Rollgeräusch. Deshalb sind sie in allen anderen Situationen genauso laut wie Fahrzeuge mit normalem Verbrennungsmotor. Geplant ist zudem die Ausstattung der Autos mit künstlichen Geräuschen zum Schutz sehbehinderter Menschen. Somit würden die Vorteile im Niedriggeschwindigkeitsbereich teilweise wieder entfallen.

An Verkehrslärm gewöhnt man sich

An Strassenlärm gewöhnt sich der Mensch nie vollständig. Bei jedem störenden Geräusch gerät der menschliche Körper in Alarmbereitschaft. Er schüttet Stresshormone aus, das Herz schlägt schneller, der Blutdruck steigt und die Atemfrequenz nimmt zu. Bereits ab einer nächtlichen Lärmbelastung von 40 bis 50 dB wird der Schlaf gestört und der Mensch wacht häufiger auf. Folge davon sind Schläfrigkeit sowie verminderte Aufmerksamkeit am nächsten Tag. Es besteht ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen bis hin zum Herzinfarkt.

Tempo 30 nützt nichts gegen Lärm

Autos, die langsamer fahren, sind leiser. Wird die Höchstgeschwindigkeit auf einer Strasse von 50 auf 30 km/h reduziert, verringert sich der durchschnittliche Lärmpegel um etwa 3 Dezibel. Dies entspricht einer Halbierung der Verkehrsmenge. Laut aktuellen Resultaten der Stadt Lausanne können die störenden Lärmspitzen insbes. nachts noch stärker reduziert werden. Tempo 30 verbessert deshalb die Lebensqualität für die Anwohner, gleichzeitig verringert sich das Risiko für schwere Verkehrsunfälle. Bei einer guten Planung kann zudem eine Verbesserung des Verkehrsflusses mit weniger stop-and-go-Verkehr beobachtet und damit der Treibstoffverbrauch gesenkt werden.

Soziale Auswirkungen von Verkehrslärm

Lärm verstärkt auch soziale Probleme. An stark lärmbelasteten Verkehrslagen wohnen häufig zahlungsschwache Menschen: Betagte, Randständige, Alleinerziehende, ausländische Familien. Da die Eigentümer der Liegenschaften weniger Mietzinseinnahmen wegen der lärmigen Lage erzielen, werden solche Liegenschaften oftmals schlecht bewirtschaftet – es werden keine Investitionen getätigt. Eine soziale Entmischung ist die Folge. Wer es sich leisten kann, zieht in ein ruhigeres Wohnquartier. Arme Menschen sind daher eher von Lärm betroffen.

Zweifelsfrei gibt es auch an lärmigen Wohnlagen teuren Wohnraum. Dort wurde dann jedoch viel in Lärmschutzmassnahmen investiert (Lüftung, spezielle Verglasung usw.). Gleichzeitig überwiegen an diesen Lagen andere Standortfaktoren, die es attraktiv machen, dort zu wohnen. Eine Studie des BAFU hat gezeigt, dass Mieterinnen und Mieter in Zürich bereit wären, monatlich rund 240 Franken mehr Miete für eine Wohnung mit schwacher Lärmbelastung anstelle der jetzigen stark lärmbelasteten Wohnsituation zu bezahlen. Das Wegziehen aus Zentren oder das Bedürfnis, dem Lärm zu entfliehen, ist wiederum eine der Hauptursachen für die Verkehrszunahme. Eine Folge davon ist, dass der Lärm in bis anhin ruhige Gebiete vordringt.

Auswirkungen auf Immobilien

Lärm als Wertvernichter von Immobilien wurde erst mit der Fluglärmproblematik zu einem viel beachteten Thema. Dabei wohnen in der Schweiz Hunderttausende von Menschen an lärmigen Verkehrswegen. Diese Immobilien verlieren durch den Lärm an Wert. Belärmte Wohnungen werden weniger nachgefragt als vergleichbare Wohnungen in ruhigeren Gebieten. Diese Mindernachfrage schlägt sich in einem tieferen Mietpreis nieder. Gemäss unterschiedlichen Schätzungen nimmt der Wert einer Wohnung pro Dezibel Lärmsteigerung ein bis eineinhalb Prozent ab.